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Am Mittag des nächsten Tages traf endlich Hannah mit Martin und Theresa in Nampula ein. Da es im Norden Mosambiks weder Straßennamen, noch Hausnummern gibt, Nampula aber doch recht groß ist, war es etwas schwierig die drei zu den Schwestern zu dirigieren, da diese ganz mosambikanisch meinten sie würden es schon irgendwie finden. Schlussendlich leistete uns dann doch das GPS gute Dienste und ich konnte Hannah nach 5 Monaten endlich wieder sehen. Obwohl wir unter Zeitdruck waren, weil wir noch vor Einbruch der Dunkelheit im einige Stunden entfernten Nacala sein wollten, wurde erstmal in aller Ruhe Smalltalk gehalten, die Schwestern führten die Neuen über das Gelände und führten uns ihre Apotheke vor, in der sie Heilpflanzen für die Bevölkerung verarbeiten. Ein ähnliches Projekt also wie das, was Hannahs Eltern vor einigen Jahren für drei Jahre nach Mosambik geführt hatte. Nach einer Runde Kaffee schafften wir es dann doch noch uns los zu eisen und auf dem Weg aus der Stadt hielten wir noch an einer kleinen Imbissbude, um uns für die Fahrt zu stärken. Das Angebot sah gut aus: An der Außenwand waren die verschiedensten Mahlzeiten mit Preis abgebildet, doch die drei erfahrenen Mosambikaner (Hannah, Theresa und Martin) bremsten schon meine Vorfreude, denn wie sich heraus stellte, hatte der Imbiss zwar viele verschiedene Bilder aber nur ein Gericht, das dann auch direkt von 4(!) Leuten zubereitet wurde, die sich in der kleinen Bude eigentlich nur gegenseitig im Weg standen. Eine Personaldichte, wie sie in Mosambik quasi überall vorzufinden ist. Ich nutzte die Zeit, um auf der gegenüberliegenden Straßenseite noch etwas Geld abzuheben. Dort wartete schon die nächste Tücke auf mich, denn von den drei Automaten war der mittlere gerade frei, doch als ich ihn ansteuern wollte hielt Hannah mich zurück. Der werde immer frei gelassen, um den anderen nicht zu nahe zu Rücken. Ein merkwürdiges Distanzverständis, denn während es dem Mosambikaner in der Schlange oder auch im Bus nicht eng genug geht, wird am Geldautomaten selbst das europäische Verständnis von diskretem Abstand getoppt. Mit vollem Geldbeutel und vollem Magen ging es dann endlich los in Richtung Nacala. Die Straße zu dieser Hafenstadt ist zum Glück seit einiger Zeit asphaltiert, sodass Martin mit dem Jeep in hohen Tempo Richtung Urlaub brettern konnte. Hannah und ich hatten mit dem gesamten Gepäck auf der Ladefläche Platz genommen und so sausten wir einige Stunden durch die grüne mosambikanische Landschaft vorbei an kleinen Lehmhütten mit ihren Feldern, wenigen verfallenen portugiesischen Gebäuden, einigen Ortschaften und vielen Motorrädern und LKWs. Mit Einbruch der Dunkelheit kamen wir schließlich in Nacala an, wo Hannah und Theresa in einem Laden noch etwas zu Essen kauften, während ich von der Ladefläche aus kritisch die vielen Menschen musterte, die selbiges mit uns und dem Auto taten. Auch in Nacala gab es nun wieder leichte Navigationsschwierigkeiten, denn die Wegbeschreibung zu unserer Unterkunft lautete in etwa so: “Die Straße nach Osten einfach bis zu einer Moschee fahren, dann links und dann an der Straße ein Haus mit Zaun”. Nach einigen falschen Moscheen und Häusern mit Zaun und mit Hilfe eines zum Glück per Handy erreichbaren Bekannten fanden wir dann schließlich die Ferienwohnung, in der wir die nächste Woche verbringen sollten. Und ich bekam erstmal die Krise: Das Haus hatte nur ein Schlafzimmer, was bedeutete, dass Martin und ich im Wohnzimmer auf ultra siffigen Matratzen schlafen mussten, es war unerträglich heiß und drückend, überall liefen Kakerlaken rum und generell sehnte ich mich einfach nach meinem sauberen abschließbaren Hotelzimmer in Maputo zurück. Was mir aber am meisten Angst machte, war dass Hannah und Theresa das Haus als “Luxus” im Vergleich zu ihrem zu Hause in Mocuba bezeichnete, wo ich im Anschluss ja auch noch zwei Wochen durchhalten musste. Nachdem die Mädels “gekocht” hatten (es gab Nudeln mit Ketchup, was Martin und mir für den Rest des Urlaubs Munition für kleinere Sticheleien lieferte), ging ich mit dem Gefühl ins Bett nun doch tiefer in der afrikanischen Lebenswelt gelandet zu sein, als ich mir das vorgenommen hatte. Das bestätigte sich auch am Morgen wieder, denn der Nachtwächter (allein schon die Tatsache, dass wirklich jedes Haus von Weißen mindestens einen Nachtwächter hat…) sollte uns Brötchen zum Frühstück bringen, tauchte aber nicht auf, sodass wir erstmal ohne Frühstück da saßen. Während ich mich also über die Unzuverlässigkeit aufregte zuckten die drei anderen nur die Schulter. So sei das hier eben. Eine Einstellung mit der ich mich bis zum Schluss nicht anfreunden konnte, wenngleich es wohl die einzige Möglichkeit ist irgendwie mit dem Mentalitätsunterschied der Menschen klar zu kommen. Nachdem Martin in einer Backstube dann selber Brötchen besorgt hatte, machten wir uns gegen Mittag auf den Weg zum Einkaufen. Dazu fuhren wir zu einer Art Supermarkt, der von den drei Mosambikanern mit einer Begeisterung inspiziert wurde, als hätten sie seit Monaten keinen Käse gesehen. Hatten sie ja auch nicht. Da es in Mocuba keinen Supermarkt gibt, deckten wir uns hier also mit alltäglichen Dingen, wie Käse, Wein, Marmelade und Nutella ein, die jede einzeln von den Dreien gefeiert und von mir belächelt wurden. Beim Bezahlen durfte ich dann Zeuge des mosambikanischen Antikorruptions- und Arbeitsbeschaffungssystems werden. An der Kasse räumte zunächst Mitarbeiter 1 die Waren aus dem Wagen, damit sie Mitarbeiter 2 über den Scanner ziehen konnte. Von Mitarbeiter 3 wurde dann ganz genau darauf geachtet, dass alle Waren, die er wieder in den Wagen räumte auch gescannt worden waren. Das alles passierte in einer derart meditativen Geschwindigkeit, dass man schon vom Zusehen schläfrig wurde. Richtig witzig wurde es dann allerdings, als Mitarbeiter 1 etwas zu schnell die Waren aus dem Wagen räumte und Mitarbeiter 2 somit einen Artikel scannte, den wir separat bezahlen wollten. Anstatt den Artikel einfach aus der Kasse zu löschen, wurde nun nämlich alles wieder auf Anfang gesetzt und die Ausräum-Scan- und Einräumprozedur begann von neuem. Schließlich konnten wir endlich bezahlen (mit Karte, wie die drei Mosambikaner ganz entzückt bemerkten) und mussten beim Verlassen des Supermarktes nur noch an Mitarbeiter 4 und dem Chef vorbei, die sich beide davon versichern wollten, dass die Waren auf dem Zettel auch wirklich mit denen im Einkaufswagen übereinstimmten. Als wir vom Einkaufen zurück kamen erwartete uns schon der Nachtwächter, der die versprochenen Frühstücksbrötchen vorbei brachte – mittags um 2. Während ich noch etwas sprachlos darüber war, WIE anders hier das Zeitverständnis ist, freuten sich die drei Mosambikaner einfach darüber, dass der Wächter überhaupt Brötchen gebracht hatte. So schnell kann man also auch mit kleinen Dingen glücklich sein. Am Nachmittag fuhren wir dann an einen Strand in der Nähe und da kam dann doch Urlaubsfeeling bei mir auf. Die kleine Strandbar auf der Landzunge hinter uns, das warme Wasser des indischen Ozeans und ein Strand voller Muscheln vor uns. Dazu ein kühles 2M-Bier. So konnte man es aushalten. Auf dem Wasser waren auch etliche Boote unterwegs, die teilweise aus einem Baumstamm hergestellt waren und dem ganzen einen derart positives afrikanisches Flair verliehen, dass ich mich nun wieder glücklich schätzte die Zeit hier verbringen zu dürfen. Natürlich war auch hier wieder vieles ungewohnt, so ließen die Mädels etwa lieber kurze Hosen über dem Bikini an, um den Blicken der Einheimisches zu entgehen, für die weiße Frauen am Strand natürlich DAS Event waren. Selbst hatten die Mosambikaner auch ein interessantes Verhältnis zur Badekleidung, denn viele sprangen in Ermangelung einer Badehose einfach mit ihrer Unterwäsche ins Wasser. Eine hygienisch und besonders bei weißer Unterwäsche ästhetische nicht zu brickelnde, dafür aber sehr afrikanische Erfahrung. So verbrachten wir den Nachmittag schwimmend und schnorchelnd und genossen zum Abschluss noch die untergehende Sonne über dem Ozean. Ein toller Anblick! Zum Abendessen gab es ein am Strand zubereitetes Hühnchen mit Reis und damit war der erste Urlaubstag in Nacala auch schon vorbei.